1. Was ist sind mediendokumentarische Dienstleistungen?
solides dokumentarisches Handwerkszeug und Kenntnisse über die
Produktionsbedingungen im Medienbereich
2. Entwicklungstendenzen der Medienwelt
2.1. technische Veränderungen
2.2. strukturelle Veränderungen
2.3. inhaltliche Veränderungen
3. Welche Dienstleistungen
soll die Mediendokumentation in einer veränderten Medienwelt anbieten?
Guten Tag meine Damen und Herren, sehr verehrter Professor Sträter, vielen Dank für Ihre Einladung zu diesem Fachvortrag und die freundliche organisatorische Betreuung
Die mir gestellte Aufgabe ist schwer und leicht zugleich: leicht, da
Sie mit der offenen Themenstellung Mediendokumentarische Dienstleistungen
für eine veränderte Medienwelt: Ziele, Strategien, Methoden einen
Bereich ansprechen, zu dem jede Praktikerin in der Mediendokumentation
eine Menge zu sagen hat. Es wäre verführerisch aus dem Nähkästchen
zu plaudern ...
Schwer, da mit dem gestellten Thema wahrlich ein 'weites Feld' angesprochen
ist, der lapidare Nachsatz "Ziele, Strategien, Methoden", den Wunsch ahnen
läßt, ich möge doch mit einem Kaleidoskop fertiger Konzepte
aufwarten.
Sie ahnen es schon, die Referentin will sich herausreden. Was Sie in
den nächsten 40 Minun-ten von mir erwarten dürfen sind keine
fertigen Konzepte, sondern nach guter alter geisteswissenschaftlicher Manier
Problematisierungen.
Zunächst werde ich mein Verständnis von Mediendokumentation
darlegen. In einem zweiten Schritt werde ich schlaglichtartig beleuchten,
in welche Richtung sich die Medienwelt vermutlich in den nächsten
Jahren entwickeln wird. Und, in einem dritten Schritt versuche ich eine
Positionsbestimmung, wo in dieser 'Welt' Aufgaben für die Dokumentation
liegen.
1.
Was sind mediendokumentarische Dienstleistungen?
Es ist wahrscheinlich etwas gewagt, diese Frage hier in dieser Runde
von Kolleginnen und Kollegen anzusprechen, die sich explizit mit der "Information
und Dokumentation der Medien" beschäftigen, aber als ich mich auf
diesen Vortrag vorbereitete stellte sich mir, obwohl ich selber als Dokumentarin
in einer Rundfunkanstalt arbeite, doch zu allererst die Frage. Gibt es
überhaupt so etwas wie spezifisch mediendokumentarische Tätigkeiten,
was unterscheidet denn die Mediendokumentation von dokumentarischen Aufgaben
in anderen Bereichen?
Dann kam mir glücklicherweise eine Analogie aus einem ganz anderen
Bereich zur Hilfe. In der Fremdsprachendidaktik gibt es die Spezialisierungsmöglichkeit
auf Gebiete wie 'technisches Engisch' oder 'Wirtschaftsspanisch'. Nun hat
es sich allerdings erwiesen, daß es wenig sinnvoll für den Anfänger
oder die Anfängerin ist, sich zu Beginn des Sprachstudiums sofort
auf technisches Englisch zu verlegen, sondern es gilt vielmehr, den allgemeinen
Umgang mit der Sprache, ihre Grammatik, einen soliden Grundwortschatz,
eine Sicherheit in der Idomatik und Flüßigkeit in der mündlichen
Kommunikation zu erwerben. Wer diese Hürden genommen hat, kann sich
dann auch leicht in der fremden Sprache das spezifische Vokubular, das
etwa im Wirtschaftsbereich gebräuchlich ist, erschließen, vorausgesetzt,
er oder sie hat sich einen klaren Überblick über den entsprechenden
Sachbereich, sprich über wirtschaftliche oder technische Zusammenhänge
und Probleme, verschafft. Dasselbe gilt nach meiner Erfahrung auch für
die Mediendokumentation: Ausgangspunkt muß die Beherrschung der klassischen
dokumentarischen Aufgaben sein: Sammeln, Erfassen, Erschließen (inhaltlich
und formal), Speichern und Bereithalten von Informationen, sowie die Technik
und Methode zur Verbreitung von Informationen. Die genannten Tätigkeiten
bleiben Kern dokumentarischer Arbeit, ganz gleich mit welchen Quellen,
ob mit chemischen Formelsammlungen, mit Parlamentsprotokollen oder eben
mit Fernsehbeiträgen oder Zeitungsartikeln, ich es zu tun habe. Eine
Besonderheit der Mediendokumentation liegt also darin, daß sie, anders
als andere Spezialbereiche der Dokumentation, wie die Medizindokumentation
oder die Biodokumentation, keine Spezialisierung über die Dokumentationsinhalte
zuläßt, da prinzipiell jedes Sachgebiet zu einem Medienthema
werden kann. Ein wichtiges Merkmal der Mediendokumentation liegt im Gegenteil
darin, daß sie in einem schnellebigen Umfeld agiert, in dem sich
die Themen rasch ändern.
2. Entwicklungstendenzen
der Medienwelt
Soweit zum Thema Mediendokumentation als eine Spezialaufgabe der Dokumentation.
Wie wird sich die Medienwelt selbst in den nächsten Jahren verändern?
Ich beziehe im Folgenden den Begriff "Medien" auf die Bereiche der klassischen
Massenmedien: Printmedien (Buch und Zeitschriften), Filmindustrie / Kino,
Fernsehen und Rundfunk. Wir befinden uns derzeit in einer Umbruchphase.
Umbrüche sind schwerpunktmäßig auf technischem und strukturell-organisatorischem
Gebiet zu beobachten. Entwicklungen, die zwangsläufig auch auf die
durch die unterschiedlichen Medienkanäle vermittelten Inhalte ausstrahlen.
2.1. Technische Veränderungen
Der Anstoß für neue Entwicklungen in allen Medienbereichen
geht derzeit von technischen Neuerungen aus.
Hier sind drei Stichworte zu nennen Digitalisierung, Entwicklung neuer
Speichermedien und Beschleunigung der Datenfernkommunikation.
Im vergangenen Jahrzehnt konnten wir im Bereich der Digitalisierung
eine rasante Entwicklung beobachten, durch die sich auch Problembereiche
vollständig verschoben haben. Zu Beginn des Siegeszuges der digitalen
Technik schien Speicherplatz das Haupt-Problem, (Beispiel: Datenbanken
wurden so konzipiert, daß sie möglichst wenig Speicherplatz
brauchten, Abkürzungen wurde der Vorzug vor natürlichsprachlichen
Einträgen gegeben) mittlerweile verfügen wir über eine beinahe
unbegrenzte und wenig kostenintensive Bereitstellung von Speicherplatz
(Entwicklung magnetoptischer Verfahren).
Die Entwicklungen in der Datenfernübertragung eröffnen auch
neue Dimensionen für ein zweites Dauerproblem der Massenmedien: die
Schnelligkeit der Informationsvermittlung.
Derzeit befinden wir uns in einer Übergangsphase, in der die von
verschiedenen Entwicklern bereitgestellten neuen Techniken in ihrer Einsatzfähigkeit
noch gebremst werden durch Leitungs- und Schnittstellenprobleme. Aber mit
der Einrichtung schneller Netze und Normen für Schnittstellen (Unidas-Schnittstelle)
werden auch diese Probleme mittelfristig gelöst sein.
Die mit dem Schlagwort der Digitalisierung beschriebenen neuen technischen
Entwicklungen haben weitreichende Konsequenzen sowohl auf Organisationsformen
in allen Bereichen der Massenmedien.
2.2.Organisatorisch / Strukturelle Veränderungen
Die - sich in Deutschland mit großer Verspätung vollziehende
- Veränderung des Medienmarktes wird immer unter die Stichworte der
Öffnung und Deregulierung gestellt. Begriffe, die die gegenwärtigen
Entwicklungen meiner Ansicht nach nicht ganz zutreffend beschreiben. Zwar
trifft es zu, daß durch die Liberalisierung der Mediengesetzgebung
tatsächlich die Monopolstellung der öffent-lich-rechtlichen Rundfunkanbieter
ARD und ZDF aufgehoben wird, aber gleichzeitig setzt ein Trend zu neuer
Monopolisierung, zur Bildung großer marktbeherrschender Medienkonzerne
(Bertelsmann) ein. Mittelfristig wurden durch politische und juristische
Entscheidungen (Medienstaatsvertrag) die Weichen für ein Dreisäulenmodell
gestellt: Private, Öffentlich-rechtliche und non-profit-Anbieter wie
Bürgerfunk/NKL werden die Medienwelt in den nächsten Jahren prägen.
Die Anstrengungen aller Medienanbieter und Produzenten sind durch Wirtschaftlichkeitserwägungen
und den Kampf um Marktanteile gekennzeichnet. Durch Einführung neuer
Techniken, die eine Automatisierung in vielen Bereichen zulassen, wird
es zu erheblichen Personaleinsparungen kommen. Eine Person übernimmt
die Aufgaben, die früher arbeitsteilig von einem ganzen Team übernommen
wurden. Durch die Einführung sogenannter Selbstfahrerstudios im Hörfunk
fährt jetzt ein Journalist eine Sendung allein, an der früher
neben dem Moderator oder der Moderatorin eine Technikerin und eine Assistentin
beteiligt waren.
Die Entwicklung immer handlicherer Aufnahme, Speicher- und Abspieltechniken
(PC-gestützte Aufnahmeeinheiten) hat häufig die Auflösung
zentraler Organisationsstrukturen (mit zentralen Sendeeinheiten) zugunsten
selbständiger Unternehmenseinheiten mit eigenenem Entscheidungsspielraum
zur Folge. Die sogenannten Wellenspeicher mit den schmalen Musikrepertoires
des Formatradios sind hierfür ein Beispiel. Beim NDR ging die Digitalisierung
von NDR2, die anderen Wellen werden nach und nach folgen, mit einer organisatorischen
Abkoppelung vom Gesamt-NDR einher. Diese Entwicklung hatte beispielsweise
große Auswirkungen auf die Inanspruchnahme der Archive. Wurde früher
die Bereitstellung der Musiktitel von den Archivmitarbeitern übernommen,
liegt jetzt das, wesentlich schmaler gewordene, Repertoire an Musiktiteln
in Form von Audiofiles auf einem Massenspeicher vor. Auch auf eine Archivierung
von Wortbeiträgen durch ein zentrales Archiv meint man weitgehend
verzichten zu können, da man ein "aktuelles" Programm mache.
2. 3. Inhaltliche Veränderungen
Das skizzierte Beispiel zeigt, daß die technischen und strukturellen
Veränderungen nicht ohne Auswirkung auf die Inhalte bleiben.
Zunächst einmal hat die Digitalisierung unmittelbaren Einfluß
darauf, in welcher Form, über welche Verbreitungskanäle, Medienangebote
den Empfänger erreichen. Zwei beinahe gegenläufige Trends werden
sich in Zukunft noch fortsetzen. Wir werden uns an multimediale Kommunikation
gewöhnen, d. h. an interaktive Medien- oder Kommunikationsangebote,
die "mindestens drei Me-diengattungen wie Text, Bild, Bewegtbild und Ton
beinhalten." (Felsenberg 1997) Gleichzeitig zieht die Digitalisierung in
allen Medienbereichen für die Personen, die damit arbeiten, eine starke
Visualisierung nach sich. (Beispiel: Beispielsweise bedeutet die Einführung
digitaler Technik im Hörfunk, daß auch beim Schneiden von Audiomaterial
nicht mehr nach Gehör vorgegangen wird, sondern die Töne graphisch
umgesetzt werden und der Journalist die Töne nach 'Augenmaß'
schneidet.).
Langfristig werden sich durch die Digitalisierung die Grenzen zwischen
den klassischen Massenmedien und anderen Formen der Kommunikation abschleifen.
Das Internet ist zur Zeit das wohl einflußreichste Beispiel für
die immer fließender werdenden Übergänge zwischen privater
Kommunikation, wissenschaftlicher Kommunikation, Werbung und Massenkommunikation.
Aber auch im Bereich der etablierten Massenmedien werden die Grenzen zwischen
den verschiedenen Bereichen: Printmedien, Hörfunk, Fernsehen, Verlagswelt
und Werbung unschärfer werden.
In Bezug auf die Inhalte im engeren Sinne zeichnen sich zwei gegenläugige
Bewegungen ab, die häufig mit den Schlagworten Magazinierung und Spartenprogramme
bezeichnet werden. Sei es im Radio, im Fernsehen oder am Zeitungskiosk,
überall begegnet uns dieser 'Kessel Buntes', farben-frohe Magazine,
in denen Information und Sensationsberichterstattung, Bildung, Unterhaltung
einander abwechseln und ineinander übergehen, Stichwort Infotainment.
Parallel zur Magazinierung kann man eine zunehmende Ausdifferenzierung
des Programmangebots durch monothematische Spartenprogramme wie Sportkanal,
Nachrichtenkanal, Kulturkanal oder Klassikradio beobachten. Unabhängig
von den Inhalten gilt für alle Gebiete eine Tendenz zur Verkürzung
der einzelnen Beiträge, die durchschnittliche Länge eines Wortbeitrags
im Radio liegt mittlerweile bei 2'30, und zur Beschleunigung der Berichterstattung.
Schnellere Netze machen es möglich, quasi simultan über Ereignisse
überall in der Welt zu berichten.
Die Konkurenz um Marktanteile (Auflagenhöhen und Einschaltquoten: Kampf um Werbeaufträge und Publikumsgunst) schlägt sich in unterschiedlicher Form im Programm nieder. Ich möchte vier Tendenzen herausstellen:
3. Welche Dienstleistungen
soll die Mediendokumentation in einer veränderten Medienwelt anbieten?
Wo liegen in dieser von mir skizzierten Medienwelt Aufgabenbereiche
der Mediendokumentation? Welche Kompetenzen und Fähigkeiten besitzen
Dokumentarinnen und Dokumentare schon heute, um diese Aufgaben auszufüllen,
und wo sind Veränderungen oder Erweiterungen des Berufsbildes zur
Existenzsicherung notwendig?
Zur Zukunft des Berufsstandes der Dokumentationsspezialisten kann man derzeit in der einschlä-gigen Fachliteratur, in Publikationen von Berufsvereinen und Verbänden und in der allgemeinen Presse zwei sehr unterschiedliche Prognosen lesen: da sind diejenigen, die ungeahnte Chancen für die Dokumentation voraussagen: So schreibt Ralph Schmidt in Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation: "Mit wachsender technischer Komplexität und struktureller Ver-flechtung des Informationsmarktes wächst der Bedarf an einschlägigen Informationsquellen und - dienstleistungen." In der ersten Ausgabe 98 des FH-Magazins "Thesaurus Rex" hingegen schreibt Barbara Schaffrath: "Von der Vorstellung, irgendwann einmal einen gesicherten Arbeitsplatz in der Dokumentation eines Verlages oder beim Rundfunk einzunehmen und dort fleißig Signaturen und Notationen zu vergeben oder eilige Recherchen für aufgeregte Rekakteure durchzuführen, sollte sich jeder Studienanfänger erst einmal verabschieden. [...] spätestens wenn der letzte Verlag von konventioneller Dokumentation auf EDV umgestellt hat, werden diese Aufgaben weit-gehen von den Redakteuren selbst übernommen werden."
Im folgenden werde ich argumentieren, daß beide Aussagen zutreffen. Solla Price's Beobachtung, daß die Menge der verfügbaren Informationen exponentiell zunehmen wird, gilt heute mehr denn je. Der Teufelskreis von 'overnewsed' und 'underinformed' ist jedem Journalisten, aber auch jedem Zeitungsleser oder Radiohörer bekannt. Auch die von Barbara Schaffrath angesprochene Ent-wicklung, daß Journalisten auch Datenbankrecherchen zunehmend selber durchführen werden, deckt sich mit meinen Erfahrungen: statt die Dienstleistungen der Dokumentationsabteilung in Anspruch zu nehmen, möchten viele Redakteure ihre Recherchen, unabhängig von den Öffnungs-zeiten der Archive und der Kompetenz- oder Inkompetenz der Dokumentarin, selber erledigen, vom Redaktionsschreibtisch aus, von zu Hause oder vom Dreh.
Welchen Beitrag kann die Dokumentation also dazu leisten, die auf uns
eindringende Neuigkeits-flut in Informationen zu verwandeln?
1. [Technische Dokumentationsangebote] (auf Folie 3 zeigen)
Bisher sind Dokumentare vor allem als Endnutzer neuer technischer Entwicklungen
in Erschei-nung getreten. "Die wesentliche Qualifikation für Archivare
und Dokumentare im Rundfunkbereich war die Kenntnis großrechnergestützter
Informationsverwertungstechniken [...].Die Grenzen der zeichenorientierten,
großrechnergestützten Datenverarbeitungstechniken drückten
sich in kompli-zierten Erfassungsprozeduren und immer noch recht beschränkten
Recherchemöglichkeiten aus." , so fomuliert Michael Harms in seinem
äußerst lesenswerten Artikel "Mediendokumentation" in "Grundlagen
der praktischen Information und Dokumentation."
Diese großrechnergestützten Archiv- und Dokumentationstechniken
verlangten wegen ihrer zen-tralen Architektur, ihrer Komplexität und
der hohen Investitionskosten eine integrierte Archivorgani-sation, in der
Frage des Systementwurfs, der Systembeschaffung und der Systemhandhabung
für alle Bereiche gemeinsam und gleichzeitig berücksichtigt werden
mußten. Die Abkehr von reinen Großrechneranwendungen und die
Entwicklung von Client-Server-Architekturen , die Software Entwicklungen
unter WINDOWS und OS/2 und die Fortschritte in der Datennetztechnik haben
auch für die Dokumentationsstellen neue Voraussetzungen geschaffen.
Redaktionen beginnen zunehmend, mit einfach und kostengünstig zu beschaffenden
auf dem Markt erhältlichen PC-ge-stützen Fertigprodukten bestimmte
Archivierungsaufgaben selber zu lösen.
Hier gilt es für die Dokumentationsabteilungen, die Versäumnisse
der Vergangenheit nicht zu wie-derholen und sich aktiv an der Weichenstellung
für den Übergang der veralteten z. T. mit unzurei-chendem Retrieval
und wenig benutzerfreundlichen Oberflächen ausgestatteten Großrechneran-wendungen,
in neuere Client-Server-Architekturen zu beteiligen. Die Entwicklung von
Datenban-ken darf nicht, wie zu häufig in der Vergangenheit geschehen,
den Programmierern überlassen bleiben. Zu lange haben sich Dokumentare
beim Verfassen von Pflichtenheften darauf beschränkt, die für
ein konventionelles Nachweissystem notwendigen Datenfelder 1 zu 1 in der
elektronischen Datenbank abzubilden, ohne die technischen Möglichkeiten
des Retrievals zu berücksichtigen. Eine zentrale mediendokumentarische
Dienstleistung für die Zukunft muß es also sein, beim Entwurf,
bzw. bei der Umsetzung von Datenbanken, als Schnittstelle zwischen Pro-duzenten
(Journalisten) Archiv/Dokumentationsabteilung und den EDV-Spezialisten
zu fungieren. Die Aufgabe von IuD-Abteilungen darf sich, will man unnützige
Kosten vermeiden, nicht darauf beschränken, den Archivbereich im engeren
Sinn, wie das heute noch in vielen Me-dienunternehmen der Fall ist, zu
organisieren, sondern Ziel muß es sein, in Zusammenarbeit mit Entscheidungsträgern
- vom Programm und der Intendanz - und den EDV-Abteilungen eine Be-ratungsfunktion
beim Aufbau rationeller und sinnvoller Informationsstrukturen zu übernehmen.
Für die Ausbildung von Dokumentarinnen heißt das, Dokumentare
müssen einen über die Kenntnisse des reinen Endnutzers hinausgehendes
Verständnis auf dem Gebiet der Informatik erwerben. Ziel der Ausbildung
muß nicht sein, Dokumentare zu perfekten Programmierern oder Informatikern
zu machen, wohl aber zu ernstzunehmenden Gesprächspartnern für
die EDV-Abteilungen. Diese Hürde wird relativ leicht zu nehmen sein.
Wesentlich schwieriger ist es zu erreichen, daß Dokumentationsspezialisten
unmittelbar bei der Planung von das gesamte Medienunternehmen übergreifenden
Informationsinfrastrukturen beteiligt werden. Die dafür zuständigen
als "Organisation- und Datenverarbeitung" oder ähnlich bezeichne-ten
Abteilungen sind in vielen Fällen in der innerbetrieblichen Hierarchie
in relativer Nähe zu den Planungsstäben angesiedelt. Wohingegen
die IuD-Abteilungen zu häufig noch sehr weit unten in betrieblichen
Hierarchien angesiedelt sind. Hier kann nur eine Politik der kleinen Schritte
auf Dauer Erfolg bringen: z. B. indem die IuD-Abteilung, (wie das bei SWF
der Fall ist) eine den anderen Fachbereichen gleichgeordnete Abteilung
wird, die direkt der Direktion unterstellt ist.
Besetzen Dokumentare mit der Übernahme von Planungsaufgaben beim
Aufbau elektronischer Informationssysteme ein eher neues Gebiet, ist noch
auf einem anderen, seit jeher klassisch do-kumentarisch besetztem Gebiet
EDV-Sachverstand gefragt: bei der Anpassung bestehender Re-gelwerke, z.
B. (RAK) an EDV, (Entschlackung der Regelwerke von Regeln, die bei der
konventio-nellen Arbeit Berechtigung hatte (permutierende Schlagwortketten,
Nebeneinträge), die aber bei einem durch moderne Retrievalsysteme
gewährleisteten mehrdimensionalen Zugriff überflüssig geworden
sind), Erarbeitung einheitlicher Richtlinien für die Erfassung von
Online-Quellen, da sonst Einheitlichkeit und damit Datenkompatibilität
und Austauschformate verloren gehen.
Aber nicht nur bei der Gestaltung Unternehmensumspannender Informationssysteme und bei der Aktualisierung von Regelwerken, sondern auch im Umgang mit ihren Nutzern, den programmge-staltenden Journalisten, ist EDV-Kompetenz von Dokumentationsabteilungen gefragt. Hiermit spiele ich auf die Öffnung von - ursprünglich von Dokumentaren als Instrumente der Informations-speicherung und Vermittlung aufgebauten - Archivdatenbanken für die Nutzer, sprich die Ent-wicklung eines Endnuterkonzeptes. Um meine These zu unterstreichen, daß es nicht damit getan ist, den Redakteuren die Datenbanken an ihrem Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, möchte ich an dieser Stelle meinen Vortrag unterbrechen und Sie zu einer kleinen Übung gegen die 'déformation professionelle' , die dokumentarische Betriebsblindheit, einladen. Zu dieser Übung inspiriert hat mich ein Aufsatz Ihrer Kollegin Ursula Schulz in der neuesten Ausgabe von BuB, in der sie sich mit der Qualität von Opacs beschäftigt.
Übung: (siehe Extrablatt, Blätter verteilen, Folie auflegen)
An dieser Stelle möchte ich die Diskussion abbrechen und zu meinem Vortrag zurückkommen. Dokumentarische Dienstleistungen sind in zweifacher Hinsicht bei der Öffnung von internen und externen Datenbanken für die Endnutzer gefragt.
1. Anpassung der Datenbank, bzw. des Zugriffs auf die Datenbank, an
die jeweiligen Benutzerbedürfnisse
Voraussetzung jeder Umsetzung eines Endnutzerkonzeptes wird immer die
Ermittlung des Nutzerbedarfs, etwa durch Nutzerstatistiken und durch Befragungen
sein. Geeignete Reaktionen auf den speziellen Bedarf der Nutzer können
dann etwa sein:
Beschränkung der den Nutzern über das Interface zur Verfügung
gestellten Datenbankfelder auf die tatsächlich gebrauchten. Die Überführung
dokumentarischer Fachtermini in natürlichsprachli-che, sich selbst
erklärende Begriffe. Die Erarbeitung von Hilfsmitteln, wie Plausiprüfungen
und automatische Weiterleitung von Suchanfragen (wenn Suche im Schlagwortfeld
erfolglos, automa-tisch in Volltext gehen), die helfen, bei der Formulierung
von Suchanfragen Fehler zu vermeiden. Sehr hilfreich kann es hier auch
sein, als Recherchehilfe Schlagwortlisten oder Wörterbücher zu
hinterlegen. Entgegen zahlreicher Untersuchungen zum Umgang mit Computern,
die zu dem Er-gebnis kommen, daß Hilfetexte nur selten gelesen werden,
halte ich weiterhin die Bereitstellung geeigneter Hilfetexte, für
ein Charakteristikum einer guten Benutzeroberfläche. Erfahrungsgemäß
variieren die Kenntisse der Endnutzer stark, sowohl was das Wissen über
die Inhalte der Daten-banken angeht als auch in ihrem EDV Wissen. Ein gutes
Endnutzerkonzept bezieht diese Unter-schiede mit ein, und bietet auch Möglichkeiten,
den Umgang mit der Datenbank autodidaktisch zu erweitern. Im übrigen
können Hilfetexte auch Erinnerungsstützen für diejenigen
sein, die nur spo-radisch eine Datenbank nutzen.
Ein noch so ausgefeiltes Benutzerinterface stößt allerdings spätestens dort an seine Grenzen, wo es um die Inhalte der Datenbanken geht. Hierzu ein Beispiel: eine Reihe von Rundfunkarchiven dokumentiert die Hörfunkeigenproduktionen in der Datenbank Wosad, unter anderem auch der NDR. Aus Personalmangel wird nur ein Bruchteil der Dokumente inhaltlich erschlossen (sprich erhält eine Verschlagwortung und eine Kurzbeschreibung des Inhalts im Abstract mit Kennzeich-nung der O-Töne). Dokumentarinnen, die den Bestand kennen, erzielen aber im Einzelfall auch durch Recherche in Formalangaben bereits Ergebnisse, etwa wenn sie im Urheberfeld nach mög-lichen O-Ton-Gebern suchen oder über eine Verbindung von Serientiteln und Haupttiteln Doku-mente herausfiltern, die für eine Fragestellung relevant sein könnten.
1. Wenn es einerseits sicherlich richtig und notwendig ist, bei der
Öffnung von Datenbanken für den Nutzer so weit wie möglich
auf dessen Bedürfnisse einzugehen, gibt es, wie wir am Bei-spiel gesehen
haben, auch strukturelle Hindernisse die die Nutzerfreundlichkeit einschränken.
An dieser Stelle muß ein Schulungskonzept einsetzen, das dem Nutzer
Möglichkeiten und Grenzen bestimmter Anwendungen vergegenwärtigt.
Schulungen haben über das eigentliche Ziel hinaus auch eine nicht
zu unterschätzende PR-Funktion für die Abteilung. Sie bieten
gleichzeitig eine Möglichkeit, durch direkte Kommunikation die speziellen
Bedürfnisse und Schwierigkeiten der Nutzer kennenzulernen. Solche
Erkenntnisse können ihrerseits wieder ge-nutzt werden zur Optimierung
des bestehenden Angebots. (z. B. muß ein für den Nutzer opti-males
Interface nicht immer objektiv (etwa nach ergonomischen Kriterien) das
Beste sein, es wird aber von den Nutzern angenommen, weil es so funktioniert,
wie bereits angewandte Ober-flächen (Agentursystem)
2. [Notwendige Veränderungen der Organisationsstruktur im
IuD-Bereich] (Folie 3 zeigen)
Ich möchte jetzt auf die anfangs angesprochenen organisatorischen
Veränderungen innerhalb der Medienlandschaft zurückkommen. Hier
sehe ich in doppelter Hinsicht Handlungsbedarf für die Mediendokumentation:
1. Die Lobbyarbeit, die von Seiten der IuD-Abteilungen bei den
Entscheidungsträgern nochtwen-dig ist, damit bereits bei der Planung
der Einführung neuer Techniken und Medien die IuD-Ab-teilungen mit
einbezogen werden habe ich oben angesprochen. Nur wenn die Dokumentations-abteilungen
das erreichen, wird es möglich, etwa durch die Einführung von
'document delivery'-Systemen, Informationen dort abzugreifen, wo sie anfallen,
und unter Vermeidung unnötiger Abschreib- und Verwaltungsarbeit, in
das Archivierungs- und Dokumentationssystem zu über-nehmen. (2. Beispiel
Digitalisierung des Hörfunks / direktes Abgreifen rudimentärer
Info aus dem Sendespeicher, anschließend dokumentarische Veredelung,
Ziel: die Information, die man schon einmal hatte, geht nicht mehr verloren).
Die verstärkte Konzentration der Mediendokumentation auf
die Aufgabe der Planung und Opti-mierung von Informationssystemen impliziert
unter Umständen auch eine radikale Änderung des Beschäftigungsverhältnisses,
in dem Dokumentare tätig sind. Ein Großteil der dokumenta-rischen
Aufgaben wird in Form von zeitlich begrenzten Projekten geleistet werden.
Pflege und Input in die von Dokumentaren mitkonzipierten Informationssysteme
werden häufig nicht mehr die Dokumentare, sondern die Endnutzer übernehmen.
2. Die im ersten Teil geschilderte erst durch die Digitalisierung
ermöglichte größere organisatori-sche Eigenständigkeit
der Redaktionen und Wellen führt dazu, daß immer mehr zentrale
Auf-gaben in die Redaktionen verlagert werden. (Folie 4 Redaktion) Dies
gilt für die Bereiche Hör-funk und Fernsehen ebenso wie für
die Printmedien und die Multimediabranche, wie die 1997 erschienene Hamburger
Delphi-Studie "Dokumentarische Kompetenz in der Multimedia-Bran-che" nachgewiesen
hat.
Der Trend zu multimedialen Produktionen stellt die bisher, vor
allem bei den öffentlich-rechtli-chen Rundfunkanstalten übliche
Spezialisierung der Archive nach Medienbereichen Presse, Hörfunk,
Fernsehen in Frage. Die themenbezogene Arbeitsweise der Journalisten legt
auch eine themenbezogene Dokumentation nahe, was eine stärkere inhaltliche
Spezialisierung der Dokumentare bedeutet.
Thematische Spezialisierung und organisatorische Einbindung in die Produktionsteams
scheint mir auch ein Weg, auf eine zentrale Schwierigkeit der "Information
und Dokumentation" der Me-dien zu reagieren: das Mißtrauen der Journalisten
in die inhaltliche Kompetenz der Dokumentarin-nen. Ich halte Zweifel an
der Kompetenz eines Dokumentars, die inhaltliche Relevanz von Infor-mationen
zu beurteilen, für berechtigt, wenn jemand innerhalb von kürzester
Zeit Auskunft geben soll zu so unterschiedlchen Fragen wie die Namen
der Büchner-Preisträger der letzten fünf Jahre, Risiken
potenzfördernder Mittel oder die Frage, welche Musik zur Zeit in der
Skaterszene hip ist. Inhaltliche Spezialisierung kann hier als vertrauensbildende
Maßnahme wirken.
Gerade wenn Dokumentation in einem Medienunternehmen dezentral geleistet
wird, entsteht auf der anderen Seite die Notwendigkeit, für die allgemeine
Verfügbarkeit der dezentral entstandenen Datenbestände zu sorgen,
da andernfalls die Gefahr besteht, daß Informationsinseln entstehen.
Der vielbeschworene Synergieeffekt der digitalen Technik, der durch Vernetzung
unnötige Doppel-arbeit verhindern soll, würde auf diese Weise
wieder teilweise aufgehoben. Hier sehe ich Bedarf für einen zentralen
'Helpdesk', von dem aus Informationssuchende schnell an die entsprechenden
Spezialisten verwiesen werden.
Möglichkeiten, das Auseinanderfallen in Dokumentationsinseln zu
verhindern, bietet auch die ver-bindliche Einigung auf eine Dokumentationssprache
und über Regeln zur Bewertung und Bestim-mung der Erschließungstiefe
von Dokumenten.
In Ansätzen wurde dies auch senderübergreifend von einigen
ARD-Anstalten erreicht, die ihre Ar-chivdatenbanken für Hörfunk
und Fernsehen gegenseitig geöffnet haben. Die angeschlossenen ARD-Anstalten
haben sich auf ein Datenbanksystem sowie auf Grundregeln der inhaltlichen
Er-schließung geeinigt.
Anhand dieser vorgestellten Kooperationen innerhalb der öffentlich-rechtlichen
Rundfunks lassen sich auch die Schwierigkeiten demonstrieren, die Kooperationsmodellen
auf dem freien Markt ent-gegenstehen. Dem Verbund ist es nicht gelungen,
alle öffentlich-rechtlichen Anstalten zu beteili-gen. WDR und HR verwalten
ihre Nachweise in eigenen Datenbanken.
Im Bereich der Hörfunk- und Fernseharchive gibt es zwei Verbundsysteme,
die der Theorie nach unterschiedliche Aufgaben erfüllen sollen. Nachweise
herausragender Sendungen werden vom Deutschen Rundfunkarchiv in Frankfurt
in einer Datenbank, die auf dem Rechner des HR liegt geführt. Zur
Finanzierung des DRA leisten alle ARD-Anstalten und das ZDF ihren Beitrag.
Die Alltagsproduktionen hingegen werden von einer kleineren Gruppe von
ARD-Anstalten in der vom SDR entwickelten Datenbank WOSAD nachgewiesen.
Obwohl die beiden Verbünde selbstver-ständlich nicht offiziell
als konkurrierende Unternehmen gegründet wurden, herrscht angesichts
knapper Kassen eine latenten Konkurrenz.
Es geht mir in diesem Zusammenhang nicht darum, die politischen Erwägungen
und Interessen, die zu dieser Konstellation geführt haben, zu beleuchten.
Ich erwähne das Beispiel, um Ihnen vor Augen zu führen, in welchem
schwierigen Feld gegensätzlicher Erwartungen sich die Mediendo-kumentation
behaupten muß. Mediendokumentationsstellen sind eben nicht nur Informations-dienstleister
und Bewahrer des kulturellen Erbes, sondern als Produktionsarchive verwalten
sie auch das Programmvermögen der Sendeanstalten. Eigeninteressen
der einzelnen Sendeanstalt können hier im Widerspruch zu Interessen
innerhalb der Gesamt-ARD stehen. Innerhalb des ARD-Verbundes werden Sendungen
und Beiträge über den Programmaustausch untereinander ausgetauscht
und können von den beteiligten Sendern im eigenen Programm eingesetzt
werden, ohne daß für die redaktionelle Arbeit nochmals Honorare
gezahlt werden (Urheberrechte dritter wie Verlage oder Sprecher sind selbstverständlich
von der Anstalt, die einen Beitrag wiederholt, zu zahlen). Dieses System
hat bisher gut funktioniert, da alle Beteiligten das Gefühl hatten,
von der Kooperation zu profitieren. Diese Überzeugung ist in letzter
Zeit gleich in doppelter Hinsicht ins Wanken geraten. Sendeanstalten wie
der BR oder der WDR, die viel produzieren, beklagen, daß ihre Bestände
über Gebühr von kleineren Anstalten in Anspruch genommen werden,
die kleinen Sender auf ihre Kosten leben. Aber nicht nur von dieser Seite
wird der freie Austausch von Infor-mationen (und natürlich auch Beiträgen)
innerhalb der ARD bedroht. Ein Austausch ist auch dann nicht mehr unbedingt
erwünscht, wenn öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten im Rahmen
von privatwirtschaftlichen GmbH’s kommerzielle Zweit- und Drittverwertungen
ihrer Produktionen, etwa in Form von Kauf-CD’s oder Videos, planen.
Wie stark solche Marktentscheidungen dokumentarisches Arbeiten beeinflussen
können, wird auch am Beispiel einer gemeinsamen ARD - Pressedatenbank
deutlich. Eine Reihe von ARD-An-stalten hat sich zusammengeschlossen, um
eine eigene digitale Pressedatenbank aufzubauen, die ausschließlich
den Nutzern in den beiteiligten ARD-Anstalten zur Verfügung stehen
soll. Presse-ausschnitte aus überregionalen Publikationen werden von
den beteiligten Pressearchiven dezentral arbeitsteilig ausgewählt,
inhaltlich erschlossen und als Volltexte und Faksimiles in den gemeinsa-men
Bestand eingestellt. An den jeweiligen Standorten sind die Artikel dann
direkt an den Arbeits-plätzen der Redakteure recherchierbar. Erklärtes
Ziel ist es, einerseits innerhalb der ARD ein vom Markt unabhängiges
eigenständiges Presseinformationssystem aufzubauen und zu erhalten,
ande-rerseits durch eine arbeitsteiliges Vorgehen Kosten zu sparen.
Der BR beteiligt sich bisher nicht, da er auf ein anderes Modell setzt:
auf die Kooperation einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt mit
einem privaten Zeitungsverlag, der süddeutschen Zei-tungsverlag, im
Rahmen einer gemeinsamen Verwertungsgesellschaft. Ziel dieser Kooperation
ist es nicht nur Kosten zu sparen, sondern durch Verkauf von Informationen,
Gewinne zu erwirt-schaften.
Die Beispiele sollen deutlich machen, daß sich auch mediendokumentarische
Dienstleistungen immer stärker auf dem Markt behaupten müssen.
Es wurde deutlich, daß in unterschiedlichen Strukturen unterschiedliche
Organisationsformen sinnvoll sind - das ‘Auslagern’ oder ‘Outsourcing’
von Informationsdienstleistungen keineswegs immer der Königsweg ist.
Übrigens eine Aussage, die auf private Medienanbieter genauso zutrifft,
wie auf die öffentlich-rechtlichen. Dazu ein Bei-spiele: RTL in Köln
verzichet auf ein eigenes Pressearchiv, die eigenen Fernseh-Sendungen hin-gegen
werden aufwendig inhaltlich erschlossen, um sie für eine Wiederverwertung
im Programm nutzbar zu machen. Die Neuproduktion einer Fernsehminute ist
teuer und Archivmaterial (z. B. zu Sportthemen) ist noch teurer.
Die Nachrichtendokumentation von RTL in Köln leistet sich eine
Arbeitskraft, die den ganzen Tag nichts anderes tut, als die Sportberichterstattung
der Konkurrenz daraufhin zu beobachten, ob Filmmaterial von RTL verwendet
wird. Ist dies der Fall, drohen den 'Dieben' saftige Bußgelder.
Im Rahmen des Wettbewerbs auf dem Medienmarkt gewinnt die Klärung
der Urheberrechte für die Mediendokumentation und Informationsvermittlung
zunehmend an Bedeutung. Dokumentati-onsabteilungen haben Fragen nach den
Urheberrechten lange als sachfremd von sich gewiesen. Selbstverständlich
bleibt es auch in Zukunft Aufgabe von Juristen, für die durch die
neuen Tech-nologien entstandenen Urheberrechtsfragen die rechtlichen Rahmenbedingungen
festzulegen. (Aufbau digitaler Textarchive, Wiederverwertung von O-Tönen,
usw.) Auf einem unübersichtlichen Informationsmarkt ist es aber eine
Aufgabe von Dokumentaren, ihre Nutzer nicht nur über die bei einer
Verwertung von Informationen abzugeltenden Urheberrechte zu informieren,
sondern auch möglichst die für den Nutzer günstigste Variante
vorzuschlagen.
Eine klare Rechtssituation ist häufig sogar Voraussetzung für
die Informationsvermittlung: (Anekdote vom tobenden Redakteur)
Inhaltliche Veränderungen der Mediendokumentation (auf Folie 3
zeigen)
Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Informationsgesellschaft
ist häufig die Rede vom Übergang von der Informationsgesellschaft
zur Wissensgesellschaft, der zurückzulegen sei. Do-kumentare können
hier ihre bereits vorhandenen Kompetenzen zur Aufbereitung von Informationen
nutzen und ausbauen und unmittelbar zu der Transformation von Information
in Wissen beitragen. Lassen Sie mich zum Abschluß nur fünf Punkte
ansprechen:
1. Auch oder gerade unter den Bedingungen der 'digitalen Revolution'
ist eine klassische Dienst-leistung von Bibliothekaren und Dokumentaren
stärker gefragt denn je: die Bereitstellung von Metainformationen,
also von Informationen über Informationen. Nur werden diese Metainforma-tionen
in Zukunft immer seltener als gedruckte Bibliographien vorliegen, sondern
in digitaler Form und digitale Quellen mit einbeziehen. So sind z. B. Strategien
zu entwickeln, wie ein 'In-ternetlektorat' für ein spezielle Nutzergruppe
sinnvoll zu organisieren ist.
2. Das oben angeführte Beispiel des 'Internetlektorats' macht
deutlich, daß die zu lange geführten weltanschaulichen Grabenkämpfe
unter Dokumentaren ob Methoden der automatischen In-haltserschließung
(Indexierung, Rankingverfahren) oder der intellektuellen Inhaltserschließung
der Vorzug zu geben ist, wenig dazu beitragen, aus dem Teufelskreis von
overnewsed und un-derinfomed herauszukommen. Angesichts globaler Informationsnetze
und der Datenflut, zu der wir auf diesem Wege Zugang haben, können
wir es uns gar nicht mehr leisten, bei einer Vor-auswahl von Informationen
nicht auf alle uns zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (Robots, Ranking,
Worthäufigkeit usw.) zurückzugreifen. Untersuchungen zur Qualität
inhaltlicher Er-schließung belegen, daß sowohl was die Enheitlichkeit
der Indexierung als auch die Wiederauf-findbarkeit von Dokumenten angeht,
diese dann am höchsten sind, wenn automatische Verfah-ren in Verbindung
mit intellektueller Erschließung angewandt werden.
3. In den nicht immer leicht voneinander zu trennenden Bereichen des
'Aufklärungs- oder investi-gative journalism' (Panorama od. Spiegel)
und der Skandalberichterstattung (Explosiv) wird eine andere dokumentarische
Dienstleistung, die eine weitere Schnittstelle zwischen redaktioneller
Arbeit und dokumentarischer Arbeit markiert, immer stärker gefragt:
die Verifikation von Fak-teninformation. Angesichts der auf die auf Verlage
und Sender einstürmenden Schadensersatz und Verleumdungsklagen bei
Falschmeldungen, sind einige Redaktionen dazu übergegangen, die Fakten
ihrer Beiträge Satz für Satz zu verifizieren. Ein Satz wie "der
graumelierte Oberbür-germeister der unterbayrischen Gemeinde Kirchberg"
wird einer rigorosen Faktenprüfung unter-zogen. Der Blick auf die
Landkarte wird klären, ob Kirchberg tatsächlich in Unterbayern
oder nicht doch in Oberbayern liegt. Ein Anruf im Gemeindebüro wird
klären, ob es denn plausibel ist, daß der Oberbürgermeister
'graumeliert' ist, sprich das entsprechende Alter bereits hat. Hier ist
ein eigenes Berufsbild des sogenannten 'Dokens' entstanden.
4. Die Verifizierung von Informationen wird häufig erschwert durch
die mangelnde Pflege von In-formationsangeboten. Auf diesem Gebiet gilt
es einen weiteren Schwerpunkt dokumentarischer Arbeit zu setzen. Wir kennen
alle die Enttäuschung, wenn wir eine wirklich informative Internet-Seite
zu einem Thema gefunden haben, dann aber feststellen müssen, daß
der neueste Infor-mationsstand leider Frühjahr 1997 ist.
5. Mediendokumentation wird in Zukunft nicht mehr getrennt nach Art
des Mediums, Print, Bild, Ton sein, sondern alle Kanäle berücksichtigen.
Was die Formen der Dokumentation 'mulime-dialer' Datenträger angeht,
ist, zumindest im öffentlich-rechtlichen Bereich noch viel Entwick-lungsarbeit
zu leisten. Ein Konzept, wie in der Inhaltserschließung Bild, Text
und Ton zusam-mengebracht werden können, steht aber meines Wissens
noch aus. Die vorliegenden Regel-werke zur formalen und inhaltlichen Erschließung
liefern auch zur Zeit noch keinerlei Regeln dafür, wie z. B. eine
Bild-CD oder eine multimediale CD-Rom formal, geschweige denn inhalt-lich,
zu erschließen ist.
[Dokumentarische Arbeit war, ähnlich wie archivalische Arbeit,
in der Vergangenheit stets von dem Grundsatz ausgegangen, daß man
es mit Originalen zu tun hat. Formale und inhaltliche Erschließung
waren demzufolge dokumentbezogen. Angesichts der Tendenz zur ausschnitt-weisen
Wiederverwendung von Material (ich erinnere an die im ersten Teil beschriebene
Mag-zinisierung der Programme) wird die heute noch in vielen Bereichen
Dokument bezogene Do-kumentation fraglich. Dokumentation wird sich in Zukunft
viel stärker auf die Beschreibung der Inhalte beziehen und dem Nutzer,
in Form von Verweisen (virtuelle Bibliothek) mitteilen, wo die Informationen
abzugreifen sind. Informationen und Inhalte z. B. mit Hypertext-Technik
mitein-ander in Beziehung setzen.]
Angesichts des schnelleren Zeittaktes, in dem Informationen umgesetzt
werden, muß sich auch die Dokumentation umstellen. Soll die dokumentarische
Dienstleistung tatsächlich dort abge-fragt werden, wo sie gebraucht
wird, reicht die zeitunkritische inhaltliche und formale Erschlie-ßung
von Dokumtenten im Anschluß an die Veröffentlichung nicht mehr
aus. Sie muß ersetzt werden durch eine produktionsbegleitende zeitkritische
Dokumentation parallel zur Produktion.
Fazit:
Dokumentare bringen mit ihren klassischen Fähigkeiten des BESCHAFFENS;
DOKUMENTIE-RENS; VERFÜGBAR MACHEN und BEWAHREN UND ERHALTEN von Informationen
Kompe-tenzen mit, die auch in der Medienwelt der Zukunft wichtig sein werden.
Aber sie müssen neue Kompetenzen hinzugewinnen, damit diese Aufgaben
nicht von anderen Berufsgruppen übernom-men werden.
Wichtiges Qualifikationsmerkmal der Mediendokumentarin der Zukunft
wird ihre "Schnittstellenkompetenz" sein. Damit greife ich einen von Christina
Thomas, Leiterin des IID in Potsdam, geprägten Begriff auf. Gemeint
ist, daß Dokumentarinnen und Dokumentare zentrale Aufgaben dort übernehmen,
wo eine Vermittlung zwischen unterschiedlichen an der Produktion und Vermittlung
von Informationen beteiligten Berufsgruppen gefragt ist.
(wenn Zeit knapp, auf These 1 bis 4 verzichten, als Kopie austeilen,
und nur noch These 5 vortra-gen)
These 1:
Gerade durch die flächendeckende Einführung neuer Techniken
in allen Medienbereichen ist die Mediendokumentation verstärkt gefordert,
eine Schnittstelle zwischen Informatikern, Archiv und den Redaktionen zu
bilden. Dies gilt für die Programmierung neuer Datenbanken ebenso
wie für den Entwurf Abteilungsübergreifender Informationssysteme.
These 2:
In Zukunft sollte die Nutzerorientierung in der Dokumentation noch
stärker ausgebaut werden als bisher, wobei im Sinne des Dienstleistungsgedankens
die unterschiedlichen individuellen Bedürf-nisse so weit wie möglich
im Vordergrund stehen sollten. Hierbei könnte die Beratung eine gleich-berechtige
Stellung neben der reinen Informationsvermittlung übernehmen. Das
alte dokumentari-sche Credo "jedem, jederzeit, schnell jede Information
zur Verfügung stellen" wird insofern aufge-weicht, daß sich
mehr Arbeitskapazität von einer gleichmäßigen Aufarbeitung
der Bestände hin zu einer bedarfsorientierten Erschließung verlagern
wird.
These 3.
Will die Mediendokumentation nicht zentrale Aufgaben abgeben, empfiehlt
sich einerseits, die Do-kumentation und Informationsvermittlung produktionsbegleitend
stärker in die Redaktionen zu ver-lagern, andererseits durch die Vermittlung
zwischen dezentralen und zentralen Einheiten dazu beizutragen, daß
denzentral erarbeitete Informationen auch zentral zur Verfügung gestellt
werden, der durch die Spezialisierung beförderten Tendenz zur Inselbildung
entgegengearbeitet wird.
These 4:
Vor dem Hintergrund der neuen digitalen Speichertechniken und schnellen
Datenverbindungen muß auch die Mediendokumentation auf den vom Markt
ausgehenden Konkurrenzdruck und den Zwang zur Wirtschaftlichkeit reagieren.
Mit Kooperation und Auslagerung von IuD-Dienstleistun-gen werden zwei unterschiedliche
Wege eingeschlagen, die sich in der Praxis nicht ausschließen sondern
ergänzen sollten.
These 5:
Wenn sich das Qualifikationsprofil der Mediendokumentation dadurch
von anderen dokumentari-schen Spezialbereichen unterscheidet, daß
Mediendokumentare eine besondere Vertrautheit mit den Regeln und Bedingungen
der Medienproduktion haben, empfiehlt es sich den Kontakt zu den zukünftigen
'Klienten' und 'Kunden' (sprich den produzierenden Journalistinnen und
Journalisten) nicht erst im Berufsleben nach dem Studium suchen, sondern
bereits in der Ausbildung Weichen für eine stärkere Interdisziplinarität
stellen: so würde ich es mir z. B. äußerst anregend für
beide Seiten vorstellen, Rechercheseminare gemeinsam für Studierende
von Journalismusstudiengän-gen und Dokumentationsstudiengängen
anzubieten.
Literaturliste:
Rolf G. Henzler, Information und Dokumentation. Sammeln, Speichern
und Wiedergewinnen von Fachinformationen in Datenbanken, Berlin 1992
Ursula Schulz, "Wie der Schnabel gewachsen ist". Über die Qualität
von Opacs - Anforderungen, Realität, Perspektiven, in. BuB 50, 1998,
5, S. 345-351.
(überarbeiteter Fachvortrag gehalten am 09.06.1998 am Fachbereich Bibliothek und Information der Fachhochschule Hamburg)