Klassifikation - kompakt

Die Klassifikation ist ein einfaches und praktisches Ordnungsprinzip, welches auch als natürliches Ordnungsprinzip bezeichnet wird. Bei der Erstellung von Klassifikationen ist ein "konstruktives Schubladendenken" gefordert! Das zu verwaltene Sachgebiet wird nämlich in einzelne Klassen (vorstellbar als Schubladen eines Schrankes) eingeteilt. So wie die einzelnen Schubladen eines Schrankes voneinander getrennt sind, so sind im strengsten Fall auch die Klassen voneinander getrennt - sie schließen sich also gegenseitig aus. Der Fachausdruck hierfür lautet disjunkt.

Beispiel: Vier "Schubladen" eines Schlafzimmerschrankes mit unterschiedlichen Inhalten:

Socken Hemden
Gürtel Mützen

Wie nicht schwer zu erkennen ist, sind die einzelnen Klassen (hier: "Schubladen") ziemlich übersichtlich. Für jede Klasse wird eine sprechende Benennung gewählt.

Wichtig ist zu merken, dass es beim Ordnungsprinzip Klassifikation Voraussetzung ist, alle Sachverhalte eines zu verwaltenen Sachgebiets, vollständig (also umfassend) in Klassen aufzuteilen! In dem Beispiel vom Schlafzimmerschrank (hier: Sachgebiet) bedeutet dies, dass noch weitere Schubladen (wie z.B. eine Schublade für T-Shirts, eine für Pullover, eine für Kopfbedeckungen, eine für Handschuhe usw.) notwendig sind, um dieses Ordnungssystem zu vervollständigen. Ein Ersatzautoreifen hingegen, hat in einem Schlafzimmerschrank eigentlich nichts zu suchen (weil es nicht äquivalent - also im Zusammenhang mit den anderen Utensilien bzw. Klassen steht)!

Es gibt aber auch Sachgebiete (z.B. im medizinischen Bereich), wo es unausweichlich ist Klassifikationen mit Überlagerungen zuzulassen. Da stellt sich die disjunkte Klassenerstellung als ein Nachteil der Klassifikation heraus, wenn nämlich die Dokumentationseinheiten unter diversen Gesichtspunkten in mehrere Klassen zugeordnet werden können (Beispiel: Übereinstimmende Nebenwirkungen von Medikamenten unterschiedlicher medizinischer Anwendungsart). In solch einer Situation reicht es aus, einen Zettel / eine Karteikarte mit einem entsprechenden Vermerk als Stellvertretung in den betreffenden Dokumentationsspeichers hineinzulegen. Die Anzahl der Klassen, in der eine Dokumentationseinheit abgelegt werden darf, sollte nicht mehr als zwei oder drei überschreiten, da sonst eine gezielte Suche nicht mehr richtig möglich ist.

Bei der Frage, wie hoch die Anzahl der Klassen denn sein sollte, gilt die Faustregel, "so viele wie nötig (um eine hohe Indexierungsgenauigkeit zu erreichen) , und so wenige wie nötig ( um eine bestmöglichste Übersicht zu bewahren)!" Neben der Indexierungsgenauigkeit ist auch der Umfang einer Dokumentation, also die Anzahl der zu erfassenden Dokumentationseinheiten, zu berücksichtigen. Je größer die Dokumentation ist, desto mehr Dokumentationseinheiten gibt es und dementsprechend viele Klassen werden wiederum benötigt.

Um nach einem möglichst optimalen Ordnungssystem zu streben, sollte auch folgendes nicht außer acht gelassen werden. Es betrifft das Streben nach einer "goldenen Mitte" bzw. nach einer mittleren Klassenbesetzung(d.h. unter anderem auch nicht zu viele und nicht zu wenige Deskriptoren zu verwenden). Dieses wirkt sich bei einer späteren Recherche für den Benutzer ziemlich angenehm aus, weil dann die Klassen (Schubladen) gleichstark besetzt werden können! Also bitte; zu stark besetzte Klassen vermeiden, indem man sie in zu schwache bzw. unbesetzte Klassen umverteilt, insofern es die Klassifikation (im Sinne vom Wiederfinden der gesuchten Informationen) erlaubt. Der Benutzer muß dann nicht zu viel Arbeit investieren, um die "überfüllten" Klassen durchzuarbeiten.

#hier folgt ein Beispiel

Monohierarchie- Polyhierarchie

Grundlage für die Einordnung von Sachverhalten in das jeweilige System ist vor allem die hierarchische Unterteilung der einzelnen Begriffe (i.d.R. nach dem Prinzip Gattung-Art). Dabei muss beachtet werden, dass mindestens ein Merkmal für die Unterteilung maßgebend sein muss, denn nur so schließen die gebildeten Unterbegriffe einander aus. Auf einen Gattungsbegriff folgt so eine Reihe von Artbegriffen, die in der nächsten Hierarchieebene ihrerseits zu Gattungsbegriffen werden können, um dann weiter unterteilt zu werden. (vgl. Abb.1)

Monohierarchie liegt vor, wenn eine Klasse nur einer anderen Klasse untergeordnet ist, also nur eine übergeordnete Klasse besitzt. Häufig jedoch kann eine solche eindeutige Einteilung nicht getroffen werden. Kann eine Klasse mehreren anderen Klassen untergeordnet, wird von Polyhierarchie gesprochen. (vgl. Abb.2)

Die Einordnung der Begriffe in das Hierarchiegefüge muss unter Beachtung der Grundregeln der formalen Logik geschehen, um widerspruchsfreie Klassifikationen zu erhalten. Derartige Regeln sind beispielsweise:

  • Die Artbegriffe müssen disjunkt sein, d.h. ihre Extensionen dürfen sich nicht überschneiden;

  • es darf nicht gleichzeitig nach verschiedenen Merkmalen gegliedert werden;

  • die Gliederung darf keine Sprünge machen.

Diese idealtypischen Postulate können in der Praxis des Umgangs mit Klassifikationen nicht immer eingehalten werden. Nützlichkeitserwägungen stehen oft gegenüber Untergliederungsformalismen im Vordergrund.

 

Universalklassifikation:

Die internationale Dezimalklassifikation (DK)

Der amerikanische Bibliothekar Melvil Dewey entwickelte 1876 die Dewey-Decimal-Classifikation (DDC). Sie ist eine monohierarchische, numerische Klassifikation mit ca.1000 Klassen, und findet ihre Anwendung als Systematik in öffentlichen Bibliotheken. Aus der DDC ging dann die heute gebräuchliche Form der DK hervor.  Die Internationale Dezimalklassifikation (DK) wurde von den Belgiern Paul Ortlet und Henri Lafontaine als Universelle Dezimalklassifikation (UDK oder DK, 1927/33) entwickelt. Sie findet ihre Anwendung bei der Inhaltserschliessung von Dokumenten. Die ca. 1000 Klassen der DDC wurden 1958 bereits auf 70.000 Klassen, in der deutschen Gesamtausgabe 1958 zu 130.000 Klassen erweitert. Die FID (Federation Internationale de Dokumentation) betreuet und pflegt die DK.

Die drei Konstruktionsprinzipien der DK:

  1. Das hierarchische Fundament wird durch die, in den Klassen der Haupttafeln aufgeführten DK-Zahlen dargestellt.

  2. Die Hilfstafeln mit ihren Anhängezahlen, die den DK-Zahlen angehängt werden können, bilden die facettierte Ergänzung.

  3. Mit Hilfe der Sonderzeichen können zwei oder mehrere DK-Zahlen/DK-Notationen in Beziehung/Relation gesetzt werden. Sie bilden die Syntax.

Haupttafel

Hauptklassen                                                                                   

0 Allgemeines                                                                         

1 Philosophie

2 Religion, Theologie

3 Sozialwissenschaften, Recht, Verwaltung

4 (zur Zeit nicht belegt)

5 Mathematik, Naturwissenschaften

6 Angewandte Wissenschaften, Medizin, Technik

7 Kunst, Kunstgewerbe, Photographie, Musik, Spiel, Sport

8 Sprachwissenschaften, Philologie, Schöne Literatur, Literaturwissenschaften

9 Heimatkunde, Geographie, Bibliographien, Geschichte

Die Hauptklassen können bis zu sehr speziellen Sachverhalten untergliedert werden.  

 

Hilfstafel, Anhängezahlen, facettierte Ergänzung

Es wird zwischen allgemeinen und besonderen Anhängezahlen unterschieden. Um sie unterscheiden zu können, werden die allgemeinen Anhängezahlen durch eine besondere Zeichenfolge eingeleitet:

= Sprache

0 Form

(=) Völker

„...“ Zeit

-0,5 Person

(   ) Geographie

.00 Gesichtspunkt

Die besonderen Anhängezahlen werden eingeleitet durch:

.0 oder –  

 

Sonderzeichen/ Syntax

:   Beziehung zwischen zwei Begriffen, die Reihenfolge ist beliebig

+  Zusammenfügung zweier nicht aufeinanderfolgender Begriffe (Theoretische und

    angewandte Chemie 5431+66)

/   Zusammenführung/ Erstreckung von aufeinanderfolgenden Begriffen

   Zusamennfassung von Teilnotationen innerhalb derselben Hierarchie

    ( Die Anwendung beschränkt sich nur auf bestimmte Klassen)

: : Komplexe Begriffe, Reihenfolge nicht umkehrbar

 

Facettenklassifikation

 

Eine Facette ist die Ausprägung einer Kategorie in einem Sachgebiet oder Objektbereich. Die Facettenklassifikation ist vor etwa 70 Jahren entwickelt worden. Bei der Facettenklassifikation werden die allgemeinen Elementenund die spezifischen Elementen in getrenten Facetten (Kategorien) eingeordnet.

Beispiel:

A Facetten der Tiere

A1 Insekten

A11 Ameisen

A112 Grüne Waldameisen

A12 Termiten

A2 Spinentiere

B Facetten der Darstellungsformen

B1 Filme

B11 Dokumentarfilme

B2 Lexika

B3 Monografien

B31 Populärwissenschaftliche Monografien

In der Klasse A11 B31 befinden sich also populärwissenschaftliche Monografien über Ameisen. (Vgl. Buchanan, 19??) Mittels einer Facettenklassifikation wird ein Sachverhalt bzw. eine dokumentarische Bezugseinheit immer unter mehreren  Gesichtspunkten betrachtet. Für jeden Gesichtspunkt, Facette genannt, steht eine eigene Teilklassifikation zur Verfügung. Die Zusammenführung der Facetten bewirkt, dass aus mehreren allgemeinen Begriffen ein spezieller Begriff erzeugt wird.

Innerhalb von Facettenklassifikationen wird meistens mit Notationen als Identifikationskennzeichen einer Klasse gearbeitet, da diese kürzer und leichter handhabbar sind als natürlich sprachliche Klassenbenennungen.

Die dokumentarische Bezugseinheit erhält für jede Facette eine Teilnotation, die einer Klasse der zu dieser Facette gehörenden Teilklassifikation entspricht. Diese Teilnotationen werden mit einem Doppelpunkt  oder einem anderen Sonderzeichen zu einer Gesamtnotation verbunden. Die Reihenfolge der Facetten und damit der Teilnotationen in der Gesamtnotation muss bei der Erstellung der Facettenklassifikation festgelegt werden. Diese Festlegung nennt man Citation Order.

 

Colon Classification

 

Die 1953 von dem Inder S. R. Ranganathan publizierte Colon Classifikation, die sich vom Doppelpunkt (engl. colon) ableitet, und als erstes Klassifikationssystem einen durchgehenden facettierten Ansatz verfolgt. Sie fand außerhalb Indiens zwar kaum Anwendung, ist aber als Prototyp klassifikatorischen Denkens von Bedeutung.

Das grundsätzlich Neue an dieser Methode ist der Übergang von der enumerativen zur kombinierenden Klasssikikation. Damit ist die Möglichkeit zur Darstellung von Polyhierarchie und Polydimensionalität gegeben. Ranganathan geht von fünf Fundamentalkategorien aus. Er ordnet sie nach ihrer Konkretheit  an, mit dem Konkretesten beginnend zum Abstrakten. Das ergibt die Kurzformel: PMEST

 

P  Personalität (Personality)

M  Stofflichkeit, Materie (Matter)

E  Energie, Dynamik (Energy)

S  Raum (Space)

T  Zeit (Time)

 

Innerhalb des Klassifikationssystems werden diese Kategorien durch Facetten konkretisiert, die durch die Bildung von Subfacetten in sich einen hierarchischen Aufbau haben können. Aus diesen Facetten wird dann die Notation für einen Sachverhalt zusammengesetzt. Die Colon- Classification benutzt für jede Kategorie ein spezielles Sonderzeichen als Indikator oder Trennzeichen:

 

,  für Personalität

;  für Stofflichkeit

:  für Energie

.  für Raum

Diese Klassifikation ist wesentlich flexibler und kurzer als die präkombinierte Klassifikation.

Anwendung von Klassifikation: Klassifikatonen erlauben die Unterteilung einer Datenmenge in Untermengen, die dann schneller durchsucht werden können. Klassifikationen sind überall dort einzusetzen, wo zur inhaltlichen Beschreibung von Dokumenten eine grobe Einteilung ausreicht und eine Ordnung von Objekten oder Sachverhalten gefordet ist.

Wo es um eine feine Einteilung und spezifische Wiedergabe der Inhalte von Objekten oder Sachverhalten geht, werden vorzugsweise Thesauri eingesetzt, sie werden deshalb in der Dokumentation bevorzugt, während Klassifikationen besonders in Medienarchiven und Bibliotheken eingesetzt werden.

Fazit und Ausblick

Die Klassifikation erlaubt es im einfachsten Fall, ihre Dokumentationseinheiten direkt im Ordnungssystem abzulegen (Socken zu den Socken!). Sie ist das einzige Ordnungsprinzip, welches Ordnungssystem, Deskriptorenspeicher und Dokumentenspeicher gleichzeitig in sich vereint. Anwendbar ist sie daher nur bei kleinen Dokumentationen, weil sie sonst bei zu umfangreichen Dokumentationen unübersichtlich wird.

Klassifikation ist eine von mehreren Methoden der Wissensorganisation. Sie ist kein Selbstzweck, sondern eingebunden in die Aufgabebereiche der Dokumentenverwaltung und des Navigierens bzw. der Suche in Informationssammlungen. Klassifikationsdaten können den Dokumenten als Beschreibung zugeordnet werden, also Teil der Metadaten sein. So kennt der am weitesten vorangetriebene generelle Standard für Metadaten, der "Dublin core Element Set", die Kategorie Subjekt, in der Klassifikationsdaten zusammen mit der Angabe des jeweiligen Schemas/Systems abgelegt und damit in kontrollierter Weise wieder nutzbar gemacht werden können.

Literatur

- Ladewig, Christa: Grundlagen der inhaltlichen Erschließung - 1. Ausgabe - Berlin: Typowerkstätten des Bodoni Museums, 1997 - ISBN 3-00-001480-2

AutorInnen: Alen Peric, Leticia Hillenbrand, Andrea Hauschild, Adelina Khalilova

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